Arme und Reiche
Nach der Wiederwahl zum Bundespräsidenten hat Frank-Walter Steinmeier in seiner Rede heftige Vorwürfe an die Adresse Russlands und dessen Präsidenten Wladimir Putin erhoben. Moskau gefährde die europäische Sicherheit und bedrohe die Souveränität der Ukraine. Russland stehe in der Verantwortung und die Demokratie des Westens sei stärker. Dem muss ich ja nicht zustimmen, weil der Präsident in erster Linie zum Dialog für den Frieden sowie alle Beteiligten zur Mäßigung und zu notwendigen Kompromissen hätte aufrufen müssen. Er hätte für die Realisierung der Minsker Friedensvereinbarungen, die er als deutscher Außenminister 2014/15 mit befördert hat und für die Deutschland Garant ist, eintreten und die Regierung in Kiew auffordern sollen, ihre Sabotage der Minsker Vereinbarungen aufzugeben. Nein, trotz besseren Wissens – und ein solches wird von einem Bundespräsidenten erwartet - reiht er sich ein in die Phalanx jener, die einen Krieg herbeizureden versuchen.
Allerdings kam dem Bundespräsidenten doch noch eine seine Reputation rettende Idee. Er dankte dem Kandidaten der Linken für dessen Engagement gegen Armut, soziale Ungerechtigkeit, Obdachlosigkeit sowie als Fürsprecher von Menschen, die zu wenig gehört werden. Es bleibt zu hoffen, dass Frank-Walter Steinmeier daraus einen Auftrag für sich ableitet und diese Probleme an die Spitze seiner Agenda setzt. Ja, die Verantwortungsträger dieses Landes müssten, wenn ihre Worte ernst genommen werden sollen, dringend etwas gegen die immer größer werdende Schere zwischen Arm und Reich unternehmen. Voraussetzung dafür ist eine neue Umverteilung der Vermögen in Deutschland. Die 1,46 Millionen Mitmenschen, die als Millionäre gelten, müssten freiwillig oder unfreiwillig mehr in den Topf des Staates, zweckgebunden für die Beseitigung von Not und Armut, insbesondere der Kinderarmut und für die Überwindung der teilweisen Bildungsnotstände einzahlen.
Mit der Initiative „taxmenow“ treten einige der Reichen für eine höhere Besteuerung der Vermögenden ein. Dabei heben sie insbesondere die Erhöhung der Vermögenssteuer hervor, was durch Lobbyarbeit und insbesondere die FDP bisher verhindert wurde. Doch auch die Abschaffung zahlreicher Ausnahmen bei der Erbschaftssteuer sowie mehr Gerechtigkeit durch Gleichbehandlung könnten wirksame Instrumente sein. Die Kapitalertragssteuer sollte nicht mehr pauschal, sondern progressiv erfolgen und zur Tilgung der Schulden durch Corona wird eine Einmalzahlung empfohlen. All das sind Vorschläge, die die Linken seit Jahren fordern.
Dem könnte man zustimmen, wenn die dadurch frei werdenden Mittel tatsächlich den Bedürftigen zukommen und wichtige Fragen der Daseinsvorsorge gesichert werden würden. Allerdings zeigen die Erfahrungen, dass der Konjunktiv hier mehr als angebracht ist. So lange nur ein paar wenige Betuchte die Gerechtigkeit für sich in Anspruch nehmen, Korruption und Verschwendung von Geldern u.a. für die Finanzierung von Rüstung und Kriegen auf der Tagesordnung stehen, so lange werden der Staat und dessen Organe weiter an Vertrauen verlieren. Wir erleben fast täglich wie die gegenwärtigen renditegesteuerten gesellschaftlichen Verhältnisse Egoismus, Neid und Hass fördern. Die aber sind der Nährboden für Extremismus, Nationalismus und Gewaltanwendung.
Wer aber denkt an die sozial Schwachen, an die Betagten, Kranken und Pflegebedürftigen? Diese Frage richtet sich an alle Ebenen des Gemeinwesens und deren Verantwortungsträger in der Exekutive und der Legislative. Sie verantworten nicht zuletzt die Durchsetzung der universellen Menschenrechte, zu denen zuvorderst das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, auf Arbeit und angemessene Entlohnung, auf angemessene Ernährung, Bekleidung und Wohnung, auf Bildung usw. zählen. Bleiben wir optimistisch in der Hoffnung, dass jeder von ihnen seine Verantwortung wahrnimmt.
Ihr Re (h) Auge
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