Von Garzau nach Auschwitz
„Erinnern, um niemals zu vergessen“. Diese Worte sprach eine 90-Jährige am Ende der Vorstellung des Buches „Das Rittergut Garzau und jüdische Zwangsarbeit“. Die Gruppe 39 der Volkssolidarität in Berlin-Pankow hatte die Rehfelder Autoren Erika und Gerhard Schwarz der Geschichtswerkstatt Rehfelde e.V. gebeten, am 6. Februar, kurz nach dem „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“, zu diesem Thema zu referieren. Im Mittelpunkt stand der Arbeitseinsatz von über 20 jüdischen Männern und Frauen, die Ende 1939 aus 18 Orten des „Reiches“ nach Garzau auf das Rittergut des Eigentümers Hans von Rohrscheidt vermittelt worden waren und dort für die Verlängerung des sinnlosen Krieges schuften mussten. Im Zusammenhang mit der durch das Reichssicherheits-Hauptamt für den 27. Februar 1943 angeordneten reichsweiten geheimen „Großrazzia“ wurden die jüdischen Menschen aus Garzau unter Gestapo-Bewachung nach Berlin in die Große Hamburger Straße 26 verbracht. Das frühere Altenheim der Jüdischen Gemeinde hatten die Nazis 1942 zu einer Sammelstelle für über 1.200 Personen, versehen mit einem Palisadenzaun, Flutlichtanlage, vergitterten Fenstern, Unterkünften für die Wachmannschaften, umgebaut. In Garzau lagerte der dortige Bürgermeister die erbärmlichen Hinterlassenschaften der Deportierten in einem Keller unsortiert ein. Sie wurden wenige Tage später durch einen Vertreter des Finanzamtes Bad Freienwalde vor Ort für 397,00 RM zugunsten des Staates versteigert.
In der Berliner Sammelstelle angekommen, mussten die Garzauer Gefangenen eine für sie unwürdige und Stunden währende Prozedur über sich ergehen lassen. Das Wenige, was sie noch besaßen, ob an Wertsachen oder Geld, hatten sie in einer 16-seitigen „Vermögenserklärung“ anzugeben. Es fiel dem faschistischen Staat anheim. Versteckt vor der Außenwelt und ohne Möglichkeit, zu fliehen, wurden sie am 1. März in Möbelwagen zum Güterbahnhof Putlitzstraße in Moabit gekarrt.
Der „31. Osttransport“ traf mit den insgesamt 1.735 Juden am Tag darauf im KZ Auschwitz ein. Durst, Erschöpfung und Kälte hatten bereits während der Fahrt über 200 Todesopfer gefordert. Auf der Rampe selektierte die SS die nicht arbeitsfähigen jüdischen Menschen wie Alte, Schwache, Kranke und Kinder aus, um sie in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau zu töten. Einer der jüdischen Gutsarbeiter aus Garzau, Werner Klopstock, wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, dass seine Mutter vier Wochen zuvor, da war sie 53 Jahre alt und krank, genau an dieser Stelle in die Reihe der Mordopfer kommandiert worden war. Er selbst gehörte gemeinsam mit weiteren Garzauern zu den Deportierten, die kräftig genug erschienen, um als Arbeitssklaven registriert zu werden. Sie kamen nochmals in kriegswichtigen Unternehmen zum Einsatz. Die SS, ihr Wirtschafts-Verwaltungs-Hauptamt, lieh seine Häftlinge für 4 bis 6 RM pro Tag aus. Werner Klopstock überlebte diese Tortur in den Schachtanlagen der Berg- und Hüttenbetriebe Hermann Göring ganze 5 Monate. Andere seiner Kameraden, die das Martyrium Auschwitz überlebt hatten, wurden kurz vor der Befreiung des KZ am 18. Januar 1945 auf die sog. Todesmärsche getrieben und kamen schließlich durch nochmaligen brutalen Arbeitseinsatz in Außenlagern der KZ Buchenwald und Mauthausen ums Leben. Keiner der 24 jüdischen Männer und Frauen aus Garzau überlebte den Holocaust.
Tief berührt berichteten die Zuhörer über ihre persönlichen Erlebnisse während der Zeit Faschismus. Damals noch Kinder oder Jugendliche sahen sie die Auswirkungen der sog. Kristallnacht, die zertrümmerten Schaufensterscheiben jüdischer Geschäfte in der Prenzlauer Allee, den gewalttätigen Abtransport jüdischer Nachbarn auf Lastwagen. Es sind Bilder, die sie noch heute umtreiben und stets von neuem die Frage aufwerfen: „Wie konnte das geschehen?“ Eine der Anwesenden machte in diesem Zusammenhang auf die gefährlich Entwicklung in Thüringen und nicht nur dort aufmerksam. Es war der Augenblick, in dem sich die Autoren an die Worte von Bertolt Brecht erinnerten: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“
Bild zur Meldung: Gedenktafel Große Hamburger Straße 26
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„Denken, was wahr ist! Fühlen, was schön ist! Wollen, was gut ist!“
(August von Platen - 1796 – 1835)
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(Alphonse de Lamartine - 1790 – 1869)
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