Glückwunsch und was?
Die 30-tägigen Einheitsfeiern sind fast beendet, ohne diese so recht bemerkt zu haben. Die großen Reden und Lobhudeleien zur deutschen Einheit, deren Ergebnissen sind gehalten. Jenseits dieser Tage ist die Wirklichkeit teilweise ernüchternd. Verträge, Unterschriften und das Versprechen blühender Landschaften sind das eine, aber die Wahrnehmung der Menschen, insbesondere der im Osten des Landes, das andere. Dass daran nicht nur die Politik sondern auch die Medien einen Anteil haben, muss hier wohl nicht besonders betont werden.
Um es vorweg zu nehmen: Die zurückliegenden 30 Jahre gingen nicht spurlos an den Städten und Dörfern des deutschen Ostens vorüber. Das trifft auch auf Rehfelde mit seinen Ortsteilen zu. Der Ausbau der Infrastruktur, des Handels, des Gewerbes und des privaten Wohnungsbaus hat das Gesicht der Kommune bedeutend verändert. Bahnhofsgebäude mit Tourismuspavillon und Bürgerzentrum sind kaum wieder zu erkennen. Dem Bevölkerungswachstum Rechnung tragend wurde umfangreich in Schule, Kitas, Jugendclub und Vereinsarbeit investiert. Doch hinter all dem standen Menschen mit ihren Ideen, ihrem Fleiß und ihrer Ausdauer. Ohne sie wäre diese Entwicklung nicht möglich gewesen.
Mit dem Beschluss der Volkskammer in einer dramatischen Sitzung am 23. August 1990 um zwei Uhr früh und dem Vollzug am 3. Oktober 1990 erfolgte der Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes, d. h. zur BRD. Eine Neukonstituierung des deutschen Staates nach Art. 146 Grundgesetz mit einer gesamtdeutschen Verfassung hätte dem jetzt größeren, neuen Deutschland gutgetan. Vor diesem Hintergrund und der nachfolgenden 30-jährigen Entwicklung erheben sich allerdings auch eine Vielzahl von Fragen, auf deren Beantwortung die Menschen hier im Osten besonders warten. Sie ergeben sich aus den Erfahrungen dieser Menschen. Sie, die in ihrer Mehrzahl den Sozialismus à la DDR abgewählt hatten, vermissten plötzlich etwas. Sie vermissten und vermissen noch immer die hohe Kompetenz des DDR-Bildungswesens, dessen Absolventen fast ausnahmslos die notwendigen Voraussetzungen für das Erlernen eines Berufs oder aber für ein weiterführendes Studium mitbrachten. Sie vermissen eine gesellschaftliche Gleichbehandlung, eine Wertschätzung ihrer Lebensleistung, gleichen Lohn für gleiche Arbeit und eine Gleichbehandlung bei der Rentenberechnung. Ein nicht unbedeutender Teil vermisst einen Arbeitsplatz, um mit eigenen Händen die Mittel zum Leben und Wohnen zu erwirtschaften und nicht auf Almosen angewiesen zu sein. Sie vermissen das kameradschaftliche Zusammenleben mit Nachbarn und Kollegen. Sie vermissen den „verordneten Antifaschismus“, der dem Rechtsextremismus und Neofaschismus Grenzen setzte. Und nicht zuletzt vermissen sie ein ehrliches Bemühen ihrer Regierenden um gute Beziehungen zu den Staaten dieser Welt, die sowohl Kriege als auch Sanktionen als Mittel ihrer Politik ausschließen.
Die Zahl der Wendeopfer, derjenigen, die sich noch erinnern können und Fragen nach der immer weiterwachsenden Kluft zwischen Arm und Reich stellen, nimmt mit jedem Jahr ab. Zur Freude der Herrschenden. Der deutsche Weltschauspieler Armin Müller Stahl (89 Jahre) erklärte gegenüber einer namhaften deutschen Illustrierten: „Der DDR-Bürger, der sich nicht mit dem Staat anlegte, hatte fast immer ein gutes, sorgenfreies Leben. Aber nach 30 Jahren wird die Erinnerung an die verschwundene DDR schwächer.“ Deshalb ist es so wichtig die Zeitzeugnisse noch Lebender zu erfassen, in Büchern die Geschichte sachlich korrekt und wahrheitsgerecht darzustellen sowie auch die regionale Geschichte in Büchern zu erfassen und in Heimatmuseen aufzubewahren. Wir sollten es nicht versäumen unseren Kindern und Enkeln unser eigenes Leben und die Wahrheit zum sozialistischen Versuch in Deutschland näher zu bringen. Natürlich auch die Tatsachen und Wirkungen des angeblich größten Ereignis der jüngsten Geschichte in Deutschland und Europa mit deren weltweiten Wirkungen.
Daniela Dahn fast in Ihrem Buch „Der Schnee von Gestern ist die Sintflut von Heute“ zum Thema zusammen: „Das Dilemma ist nicht, dass der Osten noch kein richtiger Westen geworden ist. Das Dilemma ist eher, dass er sich schon zu viel angenähert hat. Heute bin ich mir noch sicherer, dass der eigentliche Fehler darin bestand, dem falschen System beizutreten.“
„Mit mehr Zeit hätte womöglich der Beweis erbracht werden können: Es wäre einfacher gewesen, mit Hand an der Macht und Volkseigentum im Rücken eine humane Gesellschaft zu schaffen, als mit der festgezurrten Fußangel von Eigennutz, Konkurrenz und Wachstum. Unsere nachträgliche Kritik an der Kapitalmaschine konnte an den Machtverhältnissen nichts ändern. … Wer sich an die Spielregeln hält, hat das Privileg, auf Kosten anderer in den Genuss von Wohlstand und relative Freiheiten zu geraten – dessen bin ich mir durchaus bewusst. … Mein Leben ist angenehm. Aber gutes Leben nur für sich ist kein gutes Leben.“
Ihr Reh (h) Auge
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(August von Platen - 1796 – 1835)
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