Nachbetrachtung zum Buch
„Auf dem Weg nach Berlin“ MOZ 5.7.2021 und 26./27.6.2021
Nein – es war kein Spaziergang, der Weg nach Berlin. Auch nicht auf den letzten Kilometern, mit vielen Toten und Verwundeten auf beiden Seiten, wie die von Erika und Gerhard Schwarz in mühevoller Kleinarbeit ausgewerteten Kriegstagebücher der Truppenteile und Einheiten der sowjetischen 8. Gardearmee belegen. Als 62. Armee hatte sie 1942 unter Führung Tschuikows die letzten Meter bis zur Wolga in Stalingrad verteidigt, bevor es gelang, die 6. Deutsche Armee einzukesseln und die Wende im Krieg einzuleiten. Nicht viele der „Stalingrader“ haben es bis an die Oder und Spree geschafft. Einer von ihnen war der unter den Autoren im Buch genannte Major Semirjaga, der12 Jahre später auf einer sowjetischen Hochschule unser verständnisvoller Lehrer und in der Folge angesehener Geschichtsprofessor in Moskau war. 1991 trafen wir uns in Berlin, wo er auf Einladung der Freien Universität an einem Kolloquium zum „Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion“ teilnahm. Der in den Kriegsdokumenten erwähnte Gardemajor Alarion Sjukin hatte mit den weitreichenden Geschützen der Kanonenartilleriebrigade der 47.Armee die Beschießung des Zentrums von Berlin begonnen. Er war unser Lehrgangsleiter und erzählte uns einmal, wie er als junger Artillerieoffizier den Kriegsbeginn an der sowjetischen Westfront und den verlustreichen Rückzug bis nach Stalingrad erlebt hatte. In seiner Heimatstadt Charkow hatte er noch Traktoren als Zugmittel für neue Geschütze besorgt, in Stalingrad wurden die Kanonen aus dem Bürgerkriegsmuseum wieder verwendungsfähig gemacht. Auch er hatte auf dem langen Weg nach Berlin viele der Kampfgefährten sterben sehen. In seiner Rede in Karlshorst hat der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vom „Geschenk der Versöhnung“ gesprochen. Wir haben es schon damals erfahren. Auch von der Frau aus Stalingrad, die 1946 die Kinder der deutschen Näherin mit Kohlsuppe beköstigte. Oder von der immer hilfsbereiten und mitfühlenden Russischlehrerin, von der wir erst viel später erfuhren, dass ihre Familie von deutschen Soldaten während der Besetzung der Bergarbeiterstadt am Donez umgebracht wurde.
Von verantwortlichen Politikern Russlands wurde die Hand zur Versöhnung mehrfach ausgestreckt. Die deutsche Politik sollte die Worte des Bundespräsidenten ernst nehmen.
Eckart Schlenker, Rehfelde
Bild zur Meldung: Nachbetrachtung zum Buch
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