Verstetigte Ungleichheit
Angeregt durch das Buch „Der Osten eine westdeutsche Erfindung“ von Prof. Dirk Oschmann, Ullstein Verlag, suchte ich nach Ungleichheiten. Im Buch fand ich solche Beispiele:
„In den Medien gilt: Der Westen gilt als Norm, der Osten als Abweichung. Bei Reden über deutsche Geschichte geht es immer nur um bundesdeutsche Geschichte, die DDR kommt da nicht vor.“ Also 40 Jahre sind ein weißer Fleck, wie bei der Netzabdeckung in Deutschland.
„Reden über Respektvollen Umgang mit den Lebensleistungen der Ostdeutschen hat keine Bedeutung, es ist wie das Klatschen für das Pflegepersonal zu Corona.“ Also wie der Volksmund sagt, als ob in China ein Sack Reis umfällt.
„Warum einen Ostbeauftragten“ und keinen Westbeauftragten, warum nicht einen „Beauftragten für Chancengleichheit“. „Was von den Ostdeutschen mit und nach der Wiedervereinigung geleistet wurde, wird zu wenig gewürdigt…Der Wunsch dazu zugehören, hat sich bisher nicht erfüllt“. Also Ungleiche - Menschen zweier Klassen - auch nach 30 Jahren der Einheit.
Wie lange schon rühmt sich die Bundesregierung, die Renten im Osten an die im Westen anzugleichen. Doch noch immer ist das Ziel nicht erreicht. Und selbst wenn es einmal geschafft werden sollte, machen die niedrigeren Löhne im Osten die dort lebenden Rentner weiter zu Menschen zweiter Klasse. Was soll denn da das permanente Getöse von Werten und Menschenrechten?
So wie die Eliten hierzulande auf den kolonialisierten Osten schauen, so verhält sich der „wertegeleitete“ Westen den Staaten in Asien, Afrika und Lateinamerika gegenüber und findet eine solche ausbeuterische Struktur der Koexistenz von Staaten als völlig normal. Aber wehe, es erhebt sich die Forderung realistisch denkender Staatsmänner nach Beziehungen auf der Basis des gegenseitigen Nutzens oder nach gleichberechtigtem Nebeneinanderbestehen, das ein gleiches Recht auf Sicherheit einschließt, so wird dies als grober Angriff auf die westliche „Wertegemeinschaft“ angesehen.
Es bleibt also nicht aus, dass eine solche Ideologie des Übervorteilens anderer auch das Denken und Handeln der Menschen dieses Landes beeinflusst. Eigennutz, Ellenbogenmentalität, Selbstherrlichkeit und Neid greifen immer stärker um sich. Begriffe wie Solidarität, gegenseitige Hilfe und Gemeinwohl degradieren zu Fremdwörtern. Menschen, die mit Verantwortung ihrer Arbeit nachgehen, die sich aufopfern und ihren beruflichen Ethos hochhalten, verwehrt man die entsprechende Anerkennung. Anders ist die Lohnpolitik des Staates und der Wirtschaft kaum zu charakterisieren. „Dafür haben wir kein Geld“, heißt es zu oft und fügt hinzu, dass das Rentenalter weiter angehoben werden müsste. Wo aber bleiben die Steuergroschen und Profite, die in erster Linie von diesen einfachen Menschen erarbeitet werden? Wo bleibt das Handeln einer Regierung zur Eindämmung des Werteverfalls der Einkommen? Sind da Arbeitskämpfe nicht schon vorprogrammiert?
In Anbetracht dieser Situation stellen sich Vertreter der jüngeren Generation die Frage nach der Sinnfälligkeit eigener produktiver, wertschöpfender Arbeit. Immerhin gibt es auch andere Wege, das Leben zu meistern.
Jeder sollte von der Hände oder des Kopfes Leistung leben wollen und können.
Ihr Re (h) Auge
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